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Hitzeinseln im Visier

Mit steigenden Temperaturen durch den Klimawandel wird die Kühlung von Gebäuden stark an Bedeutung gewinnen – mit einem entsprechenden Anstieg des Energieverbrauchs. Was tun? Forschende arbeiten in Zürich und weltweit an Strategien, um Hitzewellen für Menschen in unterschiedlichen Regionen intelligent zu «entschärfen» – mit aufwändigen Simulationen und modernsten digitalen Methoden.

Ein heisser Sommer ist vorüber: der drittwärmste seit Beginn der Messungen anno 1864 – mit zwei heftigen Hitzewellen auf der Alpennordseite und dreien südlich der Alpen, wie MeteoSchweiz berichtete. Die Folgen waren nicht nur unangenehm, sondern für manche Menschen auch gesundheitlich belastend. Zuweilen schaffen nur noch Klimaanlagen Abhilfe – der Kühlbedarf von Gebäuden dürfte in Zukunft steigen.

Wie stark, zeigen Hochrechnungen von Empa-Fachleuten, die auf Daten des experimentellen NEST-Gebäudes und künftigen Klimaszenarien für die Schweiz basieren – unter Berücksichtigung des Klimawandels, des Einsatzes vieler Kühlgeräte und des Bevölkerungswachstums. Die Resultate: Geht man von einem extremen Szenario aus, bei dem die gesamte Schweiz auf Klimaanlagen angewiesen wäre, würde bis Mitte des Jahrhunderts fast genauso viel Energie zum Kühlen wie zum Heizen benötigt. In Zahlen ausgedrückt, entspräche dies etwa 20 Terawattstunden pro Jahr für das Heizen und 17.5 für das Kühlen. Und auch in einem moderateren Szenario wird der Kühlbedarf in der Schweiz deutlich ansteigen. Die Forschenden gehen in diesem Fall von einem zusätzlichen Energiebedarf von 5 Terrawattstunden pro Jahr aus.

Was tun? Kann man zum Beispiel durch kluge Stadtplanung Orte schaffen, die einer Aufhitzung entgegenwirken? Forschende der Empa und der ETH Zürich arbeiten seit langem an solchen Szenarien: Ein Simulationsprogramm konnte bereits detailliert voraussagen, welcher Bodenbelag und welche Begrünung die grösste Wirkung dabei erzielen, Hitzezonen zu entschärfen – am bekannten Münsterhof in Zürich. Er wurde ausgewählt, um Klimasimulationen durchzuführen, deren Ergebnisse sich auch auf andere Orte übertragen lassen.

Die Analysen zeigten, dass die Temperaturen auf dem Münsterhof deutlich tiefer wären, wenn der Platz nicht gepflastert, sondern mit Erde und Gras bedeckt wäre: Dadurch würde der Boden über Nacht stärker abkühlen und tagsüber weniger Wärme speichern. Um herauszufinden, wie solche Temperaturveränderungen auf Menschen wirken würden, nutzten die Empa-Forscher den sogenannten Universellen Thermischen Klimaindex (UTCI). Er beschreibt, wie hoch die Temperatur ist, die von Passanten tatsächlich wahrgenommen wird, denn er berücksichtigt nicht nur die Lufttemperatur, sondern auch Luftfeuchtigkeit, Windgeschwindigkeit und weitere Einflüsse.

Das Resultat: Wenn man nur schon ein Viertel der gepflasterten Fläche am Münsterhof durch einen anderen Bodenbelag ersetzen würde, wäre dieser «Backofen» für Menschen im Sommer entschärft. Zum Beispiel ein Belag aus porösen Ziegeln, die bewässert werden könnten und so für Verdunstungskälte sorgten. Auch eine Graslandschaft könnte Linderung schaffen – selbst dann, wenn sie nicht dauernd bewässert und zu manchen Zeiten sogar austrocknen würde. Noch deutlicher würde das Ergebnis ausfallen, wenn auf dem Münsterhof Bäume stünden.

Solche Modelle sollen in Zukunft als Grundlage für Entscheidungen von Stadtplanern dienen – je präziser, desto besser. Den Weg in diese Zukunft weist das Leuchtturmprojekt «Cooling Singapore», das von der ETH Zürich mit zahlreichen Partnern initiiert wurde und von der langjährigen Empa-Forscherin Kristina Orehounig koordiniert wird, die mittlerweile als Professorin an der Technischen Universität Wien forscht. Ziel des Grossprojekts ist ein digitaler Zwilling für die südostasiatische Metropole, um das Gesamtklima mitsamt Hitzeinseln, die dort viele Menschen belasten, präzise beschreiben zu können – mitsamt der Möglichkeit, Gegenmassnahmen durchzuspielen, um den Kennwert «Outdoor Thermal Comfort» massgeblich zu verbessern.

Mittlerweile ist ein Prototyp des digitalen Zwillings auf Stadtebene fertiggestellt. Ergänzen wird ihn ein noch feineres «Micro-Scale»-Modell für die Grössenordnung von Quartieren, also Strassenzüge und einzelne Bauwerke. Knifflig dabei ist unter anderem, viele einzelne Modelle zu integrieren: etwa die Wirkungen von Strassenverkehr, mehr E-Automobilen, Windkorridoren, Grünflächen bis hin zu zur Frage, was tausende neuen Bäumen in der Stadt wo und wie bewirken würden.

Ein solches Modell soll dereinst nicht nur den Stadtplanerinnen und Politikern in Singapur komplexe Entscheidungen erleichtern, sondern auch Kolleginnen und Kollegen in aller Welt. Und könnte dereinst auch dazu dienen, Hitzeinseln wie den Münsterplatz in der Stadt Zürich gesünder zu gestalten.

Autor: Kommunikation, Empa